Der synodaler Weg ins Leere


Die Sehnsucht alter Herren nach Vergangenem


Für zwei Jahre gibt es an der Spitze der Katholischen Kirche in Deutschland erst einmal eine Pause zum Verschnaufen nach all den belastenden Berichten über Machtmissbrauch, Arroganz und Intransparenz. 

Mutti mahnt ihre unruhigen Kinder:

"Kinder, geht jetzt zum Austoben

auf den Spielplatz!

Euer Vater braucht seine Ruhe

in seinem Haus."



Familienbischof Koch im ZDF zu Fragen zur Zukunft


Kulturmagazin "Aspekte" am 15.11.209 im ZDF  _ bis 14.11.2020 online in der ZDF-Mediathek

Das Interview mit dem Berliner Erzbischofs Heiner Koch führte Jo Schück _Zeitmarken: 18:00 bis 25:50


Zum Reformweg der katholischen Kirche

Der Berliner Erzbischof Dr. Heiner Koch im Gespräch mit Jo Schück

 

(Niederschrift des bei der Fernsehsendung gesprochenen Wortes)

 

Moderation von Jo Schück:

"Ob es nach zwei Jahren Diskussion überhaupt eine Reform geben wird, wenn ja, welche,  und wie bindend die sein soll. das ist noch völlig offen. Feststeht: Es geht los am 1. Advent, also in zwei Wochen. Mit dabei der Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, und der ist jetzt unser Gast."

Jo Schück: Herzlich Willkommen!

Heiner Koch: Guten Abend.

 

Jo Schück: Herr Koch, als Erzbischof gehören Sie zu den mächtigsten Männern in der Kirche überhaupt.

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch Frauen Priester werden dürfen?

 

Heiner Koch: Wir werden in einem synodalen Weg darüber sprechen, Wir werden aber auch sprechen mit der Gesamtkirche, die da ihre eigenen auch Vorstellungen hat und auch klaren Aussagen getroffen hat vom Vatikan bis zu (Franz) Papst Franziskus. Ich bin aber sehr Verfechter des synodalen Weges, weil ich sage, alle Fragen sollen auf’n Tisch. Und auf diesem synodalen Weg, den wir in bunten Gruppen gehen, das sind jetzt nicht nur eine Gruppe, es gibt ja auch gegenteilige Gruppen, auch Frauengruppen, Maria 1.0, die ganz andere Auffassungen vertreten, soll alles und muss auf den Tisch kommen, alle Überlegungen und miteinander werden wir sprechen. Miteinander werden wir zwei Jahre lang lernen. Und ich hoffe, dass wir nicht so raus kommen, wie wir reingegangen sind.

 

Jo Schück: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch Frauen Priester werden dürfen?

 

Heiner Koch: Ich sehe im Moment die Schwierigkeit, hier eine gesamtkirchliche Regelung zu finden. Mir ist völlig klar, dass Frauen in unserer Gesellschaft das als verletzend empfinden, dass sie diese Position nicht wahrnehmen können. Ich weiß auf der anderen Seite, das es eine große Glaubens- und Lebenstradition und Weisheit ist, die vom Alten Testament kam über Paulus war, die sagt, dass es nicht gleichgültig ist, ob man Mann oder Frau ist. Es hat eine Bedeutung, eine religiöse, sakramentale Bedeutung: Adam, der das Leben gibt, Maria, die es empfängt. Dies kann man nicht einfach beiseite wischen.

 


Anmerkung:  Es gibt zwischen den Geschlechtern der Menschen, die absolut gleichberechtigt sind, lediglich biologische Unterschiede (Ovar und Uterus oder Testikel). Wer daraus unterschiedliche Rechte ableitet, wischt sich selbst beiseite. 


Heiner Koch weiter: Und wenn wir es in der Diskussion einbringen, dann müssen wir es mit der Gesamtkirche tun. Wir sind 23 Millionen bei 1,4 Milliarden. Wir sind sinkende Zahlen, in anderen Ländern steigen sie, also in aller Bescheidenheit, aber wir werden unsere Meinung einbringen.

 

Jo Schück: Jetzt haben Sie sehr oft die Gesamtkirche erwähnt. Sie könnten ja auch sagen: „Ich weiß nicht, was die Gesamtkirche macht. Ich weiß nicht, wie Rom entscheidet. Ich weiß nicht, wie das alles weitergeht, aber ich, Heiner Koch, werde mich dafür einsetzen, dass Frauen Priester werden.“ Warum tuen Sie das nicht?

 

Heiner Koch: Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieses Thema behandelt wird. Ich werde nicht mit festen Vorstellungen reingehen. Ich weiß um das II. Vatikanische Konzil, das mir in vielen Punkten wichtig ist und das ich nicht beiseite schieben kann. Ich weiß um die theologische Argumentation, die ich nicht beiseite schieben will, Ich weiß um die Verletzung von Frauen, die ich nicht beiseite schieben will. Also gehe ich in das Gespräch mit den Frauen, wie ich jetzt mit Maria 2.0 ja hier in Berlin schon getan habe.

 


Jo Schück fragte dreimal:  Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch Frauen Priester werden dürfen?

Spätestens nachdem ein Befragter zum dritten Mal einer klaren Frage windig ausweicht, müsste laut und unüberhörbar ein Hahn krähen.

Petrus ergriff Reue,  als er den Hahn krähen hörte.
Diese Größe der Demut ist leider nur Wenigen gegeben.



 

Jo Schück: Nun gibt es einige Frauen, die sagen, wir leben in einer Kirche, in einer absoluten Monarchie, in der Frauen strukturell diskriminiert werden. Warum stellt sich keiner von den mächtigen Männern hin und sagt: „Ja, wir arbeiten daran, dass ihr mitmachen dürft“. Das wäre doch jetzt ein super Zeichen.

 

Heiner Koch: Ich finde das eine ziemlich pauschale Aussage, die so nicht stimmt. Ich habe von 8 Bereichsleitern im Ordinariat in Berlin 4 Frauen: Seelsorge, Verwaltung, Caritas und Schule, Bildung.

 

Jo Schück: Die dürfen aber ganz oben nie mitsprechen

Heiner Koch: Doch, die sprechen ganz oben mit.

Jo Schück: In Rom dürfen sie nicht mitsprechen.

Heiner Koch: Natürlich können sie in Rom mitsprechen.

Jo Schück: Sie werden auch nicht Kardinal werden. Sie werden auch niemals Papst werden.

Heiner Koch: Sie werden nicht Priester werden.

Aber sie können mitsprechen und bei uns in der Synode sind sie gleichberechtigte Mitglieder.

Ich werde Ihnen das sagen. Konservative und progressive Frauen. Sie werden hier sprechen und sie tun es ja.

 

Jo Schück: Also Sie glauben, die Kirche diskriminiert Frauen nicht in den letzten Machtpositionen?

 

Heiner Koch: Ich bin fest davon überzeugt, dass das viele Frauen so empfinden und das es in einigen Punkte auch so geschehen ist und geschieht, trotz allem Bemühens, das weiß ich.

 

Jo Schück: Nun ist das so ein System, was mindestens patriarchalisch geprägt ist, manche sagen sogar, paternalistisch. Ist es da ratsam zu sagen: „Kommt, lasst uns erst einmal zwei Jahre diskutieren, und dann scheuen wir mal.“ Wäre jetzt nicht gerade nach dem Missbrauchsskandal endlich also ein klares Zeichen jetzt das Richtige.

 

Heiner Koch: Die Kirche ist ein sehr plurale Größe, viel größer, als Sie vermuten.

Wir müssen miteinander lernen. Der synodale Weg lebt davon, dass man sich miteinander auf den Weg macht, miteinander lernt und nicht sagt: „Ich weiß alles, ich weiß ganz genau, was rauskommen will, ich muss nur noch Dich überzeugen.“ Sondern vielleicht kann ich auch von dem anderen etwas lernen. Vielleicht finden wir auch noch ganz andere Wege, neue Wege.

Ich möchte mich eben nicht festlegen und ich möchte, dass das viele nicht tun, sondern dass wir miteinander zwei Jahre lernen und vielleicht zu ganz neuen Erkenntnissen kommen. Das bedeutet aber für mich auch, dass jeder ehrlich das reinbringt, was ihn verwundet, was ihm misslich ist, was er kritisiert. Offen und ehrlich sprechen.

 

Jo Schück: Können Sie nachvollziehen, dass es, sagen wir mal, der eine und andere Kirchgänger, Kirchgängerin, auch die Öffentlichkeit, und nicht zuletzt die Opfer des Kindesmissbrauchs schwierig finden, dass Sie sich da nicht klar positionieren, auch im Vorhinein. Man könnte ja sagen, „Ich sehe Reformbedarf in der Kirche.und ich setze mich dafür ein, z. B. dass Frauen Priester werden können.“

 

Heiner Koch: Also zunächst mal. Zum Kindesmissbrauch habe ich mich klar positioniert. Ich spreche mit allen Opfern. Wir haben in Berlin alle Akten offengelegt. Die Staatsanwaltschaft hat uns, sechs Staatsanwaltschaften, gesagt, wie vorbildlich wir handeln. Wir suchen nach, wo nicht von uns korrekt gehandelt wurde. Also jetzt bitte ich Sie, aber nicht zu sagen, dass wir uns da nicht eindeutig verhalten.

 

Jo Schück: Es ist ja ein systemisches Problem. Das steckt dahinter. Ein systemisches Problem, das unter anderem dem Kindesmissbrauch Vorschub geleistet hat.

 

Heiner Koch: Es ist eine Frage der Macht. Ja, die Macht ist das. Wenn die Macht in Männerhänden nur liegt, ist das ein Verrat. Aber ob das der einzige Weg zu lösen ist, dass Frauen Priester werden können, weiß ich nicht.

 

Jo Schück: Aber ein Weg.

Heiner Koch: … ein Weg, wir werden sehen. Lassen wir uns den Weg doch einmal gehen!

 

Jo Schück: Die Kirche steht ja, das spricht Ihnen niemand ab, für eine Verbindlichkeit, für gegenseitige Hilfe, für Nächstenliebe, für Gemeinschaft, für Stabilität und Halt. Das sind ja alles hehre Ziele, die man aber durchaus auch in einer gleichberechtigten und demokratischen Institution verfolgen könnte. Das müsste doch das eigentliche Ziel sein, die Kirche jetzt so auf die Gegenwart und auch auf die Zukunft vorzubereiten, damit Ihnen nicht noch mehr Leute von der Fahne springen.

 

Heiner Koch: Also diese Frage stellen wir uns ja natürlich. Nun ist die Kirche kein Staat und keine Demokratie, sondern sie ist eine Kirche, in der auch ganz andere miteinander Umgangsregeln stellen sollen. Ich hoffe sehr, dass wir auf dem Weg jetzt durch die zwei Jahre auch mal sehen, ob man vielleicht mit rechten und linken, um das mal so pauschal zu sagen, ganz anders sprechen und argumentieren kann, sodass keiner ausgegrenzt wird.

Jo Schück: Rechts und links meinen Sie nicht politisch, sondern …?  … alle.

Heiner Koch: Auch innerhalb der Kirche, ich mag den Begriff nicht so gern, aber innerhalb der Kirche gibt es ja verschiedenste Ansichten, auch unter Frauen übrigens. Sie haben ja nur einen Teil der Frauen gezeigt. Andere haben ja ganz andere Meinung. (ZDF-Aspekte-15.11.2019 „Ist die katholische Kirche noch zu retten? Die Debatte um mehr Macht für Frauen“)

Nochmal, wir gehen an einen Tisch, wir reden miteinander und wir müssen auch zu Beschlüssen kommen, zu Beschlüssen, die wir vielleicht weitergeben an die Gesamtkirche: „Was haltet Ihr davon?“ und zu Beschlüssen, die wir ändern. Also es muss etwas rauskommen, was wir ändern können.

 

Jo Schück: Nun haben Sie ja nicht nur, ein, sagen wir mal, Imageproblem, ich sag’s jetzt mal in diesen moderne Worten, sondern Sie haben ein massives Existenzproblem durch die verschiedenen Austrittswellen. Sie selber haben Studien veröffentlicht, die zeigen, das irgendwie die Hälfte Ihrer Mitglieder in den nächsten Jahrzehnten abhanden kommen werden. Wie wollen Sie das ändern? Wenn Sie nicht ganz klar, eigentlich zu jedem Zeitpunkt, sagen: „Ja, wir haben ein Reformbedarf. Wir müssen das jetzt konkret angehen mit Punkt eins, zwei und drei. Ich frage noch mal danach. Reicht Ihnen das, in den nächsten zwei Jahren vielleicht zu einem Reförmchen zu kommen?

 

Heiner Koch: Also erst einmal, wir bemühen uns schon seit längerem, Veränderungen vorzunehmen. Zweitens, ich glaube, dass es zu einfach ist, zu sagen, diese drei Punkte machen wir, dann klappt das. Beispiel, was sie jetzt sagen, Frauenpriestertum macht die evangelische Kirche und die hat noch höhere Austrittszahlen. Also so einfach scheint es ja doch nicht zu klappen. Es ist die Frage nach Gott, die Frage nach dem Glauben, die Frage nach der Glaubwürdigkeit, nach den Kontakten in einer differenzierten Gesellschaft, wo das Christentum eben nicht mehr die tragende Religion ist. Wo es nicht mehr selbstverständlich ist, Christ zu sein. Ich bin hier Bischof von Berlin. Ich erleb’ ja, dass das schon ’ne  Ausnahme ist, dass manche sich rechtfertigen müssen, warum sie Christ sind. Das hat sich alles total verändert. Ich bin nicht der Meinung, dass es einen Weg gibt und den gehen wir und dann ist alles bestens.

 

Jo Schück: Wie bindend sind am Ende die Beschlüsse dieses synodalen Weges?

 

Heiner Koch: Wir wollen bindende Beschlüsse und haben eine Verfassungsordnung für diesen synodalen Weg zu treffen. Beschlüsse, die in unserer Hand liegen, die wir verändern können oder die wir in die Gesamtkirche geben, weil wir sagen, wir die Kirche hier, die Katholische Kirche in Deutschland, ist der Meinung, dass…

 

Jo Schück: Wir halten fest, es ist noch ein langer synodaler Weg zu gehen.

Ganz herzlichen Dank für Ihren Besuch, Heiner Koch.

Heiner Koch: Danke schön.


Momentaufnahmen aus dem ZDF-Gespräch von Jo Schück mit dem Berliner Erzbischofs Heiner Koch