Am 10.01.2018 um 17:22 schrieb Buttlar, Adrian, Prof. Dr. <buttlar@tu-berlin.de>:
Betreff: Hedwigs-Kathedrale
denkmalrechtliche Genehmigung
Sehr geehrter Herr Senator Lederer,
im Hinblick auf die anstehende Entscheidung über die denkmalrechtliche Genehmigung des denkmalzerstörenden Umbaus der St. Hedwigs-Kathedrale möchte ich Sie
als ehemaliger Vorsitzender des Landesdenkmalrates und engagierter Anwalt der denkmalgeschützten Schwippert´schen Nachkriegsfassung herzlich und nachdrücklich bitten, in diesem brisanten
Fall Ihr Landesamt voll und ganz zu unterstützen und die Genehmigung des Neubaus zu verweigern. Alle inhaltlichen Argumente für die komplexe Denkmalqualität des Bestandes sind hinlänglich
bekannt und auf der Webseite der "Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale" ebenso nachzulesen wie die lange Liste prominenter internationaler Fachleute und aufgebrachter Gemeindemitglieder und
Bürger als Unterstützer des Erhaltungsanliegens. Ebenso bekannt ist, dass selbst in den Augen namhafter Liturgiewissenschaftler und der zuständigen Vertreter des
Vatikans die beklagten liturgischen Einschränkungen nicht so gravierend sind, dass sie den Teilabriss der wiederaufgebauten Berliner Kathedrale rechtfertigen
könnten. Wenig relevant ist schließlich, dass die hoch geschätzte Frau Staatsministerin Grütters als rheinische Katholikin die Berliner Kathedrale in ihrer
gegenwärtigen Form "grässlich" findet (das bleibt ihr gutes Recht). Aber dass sie die aktuelle Kirchenleitung in ihrem Wunsch, sich in
einem repräsentativen Neubau (sog. "Hauptstadtkathedrale") darzustellen, sogar mit der Freigabe von Bundesmitteln unterstützt, erscheint keineswegs legitim und erinnert
im 100. Jubiläumsjahr der Abschaffung der Monarchie stark an das huldvolle Gebaren des Kaisers mit seinem Allerhöchsten Dispositionsfonds (u.a. ein Thema meines gegenwärtigen
DFG-Forschungsprojektes zur Denkmalpflege im Kaiserreich).
Im geplanten Neubau einer geschichtsbereinigten und entpolitisierten "Feierkirche" (Bischof Koch), deren architektonische
Qualität keineswegs auf der Hand liegt - würde, wie offensichtlich beabsichtigt, absolut nichts mehr an die ungeliebte Nachkriegszeit und die
mit der deutsch-deutschen Geschichte verbundenen Leiden und Hoffnungen erinnern, die das Denkmal St. Hedwig verkörpert (neben dem bedeutenden künstlerischen Zeugnis ein
Hauptargument für seinen Denkmalwert).
An diesem konkreten Fall entscheidet sich darüber hinaus, welchen Stellenwert die aktuelle Politik dem Denkmalschutz und einer kritischen
Erinnerungskultur beimisst. Sie können sich vorstellen, welches fatale Signal eine offizielle Entscheidung für Abriss und Umbau bedeuten würde: Berliner Denkmalschutz und der
Landeskonservator wären dann wohl kaum noch ernst zu nehmen. Denkmalschutz würde vielmehr - wie vielerorts bereits zu beobachten - über kurz oder lang zum reinen
Erfüllungsgehilfen eines politisch entkernten Stadtmarketing für den Feierabend und den Tourismus.
Sehr geehrter Herr Senator, verzeihen Sie bitte meine offenen und ziemlich pathetischen Worte, aber Predigtton erscheint ja in diesem Falle sogar
sachangemessen.
Mit allen guten Wünschen zum neuen Jahr,
Ihr
A. Buttlar
Prof. i. R. Dr. Adrian von Buttlar
Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik
Technische Universität Berlin
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