„Die wichtigste katholische Kirche in Berlin ist die Hedwigskathedrale. Das Bistum will sie umbauen, doch die Nachfahren des Architekten wehren sich juristisch gegen die Veränderung. Auch Gemeindemitglieder protestieren: Aus ihrer Sicht wird ein einzigartiges Stück Nachkriegsarchitektur vernichtet.“
Die wichtigste katholische Kirche in Berlin ist die
Hedwigskathedrale.
Das Bistum will sie umbauen, doch die Nachfahren des Architekten wehren sich juristisch gegen die Veränderung. Auch Gemeindemitglieder protestieren:
Aus ihrer Sicht wird ein einzigartiges Stück Nachkriegsarchitektur vernichtet.
Von Sebastian Engelbrecht
Die Hedwigskathedrale in Berlin wird aufwendig umgebaut (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
Seit drei Monaten versammeln sie sich am Donnerstagabend vor ihrer Kathedrale zur sogenannten „Mahnwache“. 20 bis 30 Katholiken protestieren allwöchentlich gegen die Zerstörung des Inneren der Kirche. Die meisten gehören zum Kern der Domgemeinde Sankt Hedwig. Eine von ihnen ist Eva Maria Klabunde: „Meine Heimat hat man mir geklaut: Danzig. Aber meine seelische Heimat, dass die mir mal ein Bischof hier zerstört – also das hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht erdacht.“
Die Hedwigskathedrale ist nicht nur Bischofssitz, nicht nur ein spektakulärer Kuppel-Rundbau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie war bis vor Kurzem auch ein Symbol für die Geschichte der katholischen Kirche in der DDR. Nach dem Krieg wurde der Innenraum nach einem Entwurf des renommierten Düsseldorfer Architekten Hans Schwippert wiederaufgebaut.
Die Teilnehmer der Mahnwache wollen den Zustand der Kirche erhalten. Zu ihnen gehört Hans Joachim Meyer, der bis 2009 Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken war. Er ist Vorsitzender des Vereins der Freunde der Hedwigskathedrale. „Das ist ein Denkmal der kulturellen Einheit in Deutschland aus der Zeit der Teilung – und das wurde auch beiseitegeschoben, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Das finden wir zutiefst unverständlich."
Altar, Orgel und Fenster sind bereits abgebaut
Die Hedwigskathedrale war ein einzigartiges Kirchen-Erlebnis. Beim Eintritt blickte man in eine zentrale Öffnung des Bodens. Eine breite Treppe aus schwarzem Marmor führte in die Unterkirche. Hans Joachim Meyer argumentiert für den Erhalt dieser Nachkriegsarchitektur: „Ich habe dem Bischof meine Argumente vorgetragen, mündlich und schriftlich. Ich bedaure außerordentlich, dass sich Erzbischof Koch nicht dazu entschlossen hat, diese Absicht, die ja schon vor ihm begonnen wurde, abzubrechen und wirklich eine Renovierung des Schwippert'schen Werkes vorzunehmen. Das finde ich sehr traurig.“
Blick in die Kathedrale und die Öffnung, die zur Unterkirche führt (dpa / Soeren Stache)
Meyer kämpft gemeinsam mit der Initiative „Freunde der Hedwigskathedrale“ gegen die Umbaupläne des Bistums. Sprecher der Initiative ist der Architekt Werner Kohl. Er stellte Anfang September fest, dass der Marmoraltar bereits abgerissen wurde. Mittlerweile ließ das Erzbistum auch die Orgel und die Fenster ausbauen.
„Die Kirchenleitung lässt sich in keiner Weise von irgendetwas abhalten. Deshalb ist ja die Kirche seit einem Jahr zugesperrt, damit man im Verborgenen weitermachen kann, wie man es bisher gemacht hat. Und wir haben auch keine Einblicksmöglichkeit. Es gibt ja noch nicht mal die Möglichkeit, in das Gebäude zu gehen, um sich zu überzeugen, wie der Sachstand ist.“
„Rückführung des Gebäudes auf seinen Entwurfsgedanken“
Aber Dompropst Tobias Przytarski beruft sich auf eine Entscheidung des Domkapitels und aller anderen Gremien des Erzbistums Berlin für den Umbau der Kathedrale: „Man muss manchmal auch den Mut haben, Dinge, die eine Zeit lang genutzt worden sind, die natürlich auch ihren historischen und architektonischen Wert haben, aufzugeben, um sie durch etwas Besseres zu ersetzen.“
Domprobst Tobias Przytarski hält den Umbau nicht für rechtswidrig (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
Den Wettbewerb um die Neugestaltung gewann 2014 ein Entwurf der Architekten Sichau und Walter aus Fulda: Die Öffnung im Boden wird geschlossen. Schlicht und sachlich soll der Innenraum künftig aussehen, die Gemeinde sitzt in kreisförmigen Stuhlreihen.
Für Jan Krieger, den beratenden Architekten im Auftrag des Erzbistums, steht fest: „Wir haben es mit einem Zentralbau, einem Rundbau zu tun. Und der Entwurf, der Siegerentwurf, geht genau mit dieser Situation so sensibel um, dass man sagen kann, dass er am ehesten eine Rückführung des Gebäudes auf seinen ursprünglichen Entwurfsgedanken bedeutet.“
„Die Justiz wird verhöhnt“
Dennoch bleibt die Frage: Durfte das Erzbistum im Innenraum bereits Tatsachen schaffen, obwohl zwei Gerichtsverfahren noch im Gange sind? Dompropst Przytarski ist sicher, dass alles seine Ordnung hat: „Wir sind im Gespräch mit der zuständige Denkmalbehörde und auch mit der zuständigen Baubehörde. Die Idee, dass wir da irgendetwas Unrechtmäßiges getan haben sollen, kann ich nicht nachvollziehen.“
Aber Werner Kohl und die Donnerstags-Mahnwache lassen sich davon nicht beruhigen: „Kunst- und Kulturerbe werden von der katholischen Kirche vernichtet, während das Gerichtsverfahren noch läuft. Die Justiz wird verhöhnt.“
Zum Ärger der Umbaugegner wurde der Termin für das Urheberrechtsverfahren vor dem Landgericht Berlin im Oktober um ein halbes Jahr verschoben – auf März nächsten Jahres. Der Rechtsanwalt Lothar Poll vertritt in dem Verfahren die Nachfahren des Architekten Hans Schwippert. Er hält die Abbrucharbeiten im Innenraum der Kirche für rechtswidrig. „Das wäre justiziabel, weil hier natürlich auch statische Probleme entstehen, die natürlich die Standfestigkeit des gesamten Gebäudes damit auch beeinflussen“, so Poll.
„Das zentrale Argument ist die Liturgie“
Unabhängig von der juristischen Auseinandersetzung gibt Dompropst Przytarski zu bedenken, dass sich die Hedwigskathedrale in ihrer alten inneren Gestalt für das Abhalten von Gottesdiensten nicht eigne. Die Kommunikation zwischen Priester und Gemeinde funktioniere nicht. Zudem meint er, „dass wir im Blick haben müssen, wofür diese Kathedrale genutzt wird, auch mit Blick auf die Tatsache, dass wir nun mal hier die deutsche Hauptstadt sind, dass hier eben auch viele Touristen die Kirche besuchen, dass hier auch kulturelle Veranstaltungen stattfinden sollen, das ist alles auch ein wichtiges Argument. Aber das zentrale Argument ist die Liturgie.“
Umbaugegner wie Werner Kohl glauben das nicht. Sie meinen, es gehe dem Erzbistum eigentlich darum, einen repräsentativen Ort zu schaffen. Und Hans Joachim Meyer vom Verein der Freunde der Hedwigs-Kathedrale hält das Hauptstadt-Argument für unbedeutend: „Man redet jetzt von Hauptstadtkathedrale. Was ist das für ein sinnloser Begriff? Denn so etwas gibt es nicht.“ Werner Kohl pflichtet ihm bei: Ein „Hauptstadtbistum“ sei mit dem Selbstverständnis der katholischen Kirche nicht vereinbar.
Hans Joachim Meyer hätte sich statt der Neugestaltung eine Renovierung gewünscht (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)