Das Kreuz mit dem Kreuz

BerlinerZeitung_2021-03-08_Nikolaus Bernau kommentiert "Probekreuz"


Der Kunsthistoriker, Museumsforscher, Denkmalexperte und Architekturkritiker Nikolaus Bernau hat mit Weitsicht schon 2021 die symbolpolitische Absicht analysiert, die das Erzbistum Berlin zu dem Radikalumbau der Hedwigskathedrale veranlasste, unabhängig von den öffentlich verbreiteten Vorwänden liturgischer Art.


Zur Illustration des Sachverhalts dient hier ein Bild, das von domradio veröffentlicht wurde.

Bildquelle:  2021-03-01_domradio_Hedwigskathedrale soll durch neues Kreuz erkennbarer werden_Chrisian Barthen_kna
Bildquelle: 2021-03-01_domradio_Hedwigskathedrale soll durch neues Kreuz erkennbarer werden_Chrisian Barthen_kna

Vollständiger Wortlaut des Kommentars von Nikolaus Bernau

Quelle:  Berliner Zeitung vom 08.03.2021 _Seite 8 _Kommentar von Nikolaus Bernau

St. Hedwigs-Kathedrale

Das Kreuz mit dem Kreuz

NIKOLAUS BERNAU

Auf dem Treppengiebel über dem Eingang zur St. Hedwigs-Kathedrale soll ein großes , schlankes Kreuz montiert werden. Damit die Kathedrale im Stadtraum besser sichtbar werde, wie das Erzbistum mitteilen lässt. Andererseits soll das seit Jahrzehnten weithin sichtbare kleine Kreuz auf der Kuppel der Kirche entfernt werden. Ein Widerspruch? Keineswegs.

 

Das kleine Kreuz wirkt zwar in alle Himmelsrichtungen, erscheint dem Erzbistum aber wohl zu klein neben dem Riesen-Hohenzollernkreuz auf der nachgebauten Schlosskuppel. Dabei erinnert gerade diese Bescheidenheit an die Reue der Kirchen nach der Nazizeit, an den Druck der SED auf die Gläubigen, an den Wiederaufbau der Kathedrale als deutsch-deutche Gemeinschaftsleistung. Doch solche Erinnerungen an Versagen und Schwäche sollen mit dem Radikalumbau des Kirchenraums getilgt werden.

 

Das neue große Kreuz über dem Haupteingang dagegen würde, das zeigt das 1:1-Modell sehr gut, den Bebel-Platz mit Universität, Oper, Staatsbibliothek, Königsdenkmal und dem Denkmal für die Bücherverbrennung dominieren. Es gäbe dem bisher überaus säkulären Raum einen neuen, katholischen Perspektivpunkt. Er würde symbolpolitisch zum Vorplatz der Kathedrale.

 

Wie bewusst diese neue Botschaft dem Erzbistum ist, zeigt, dass das Modellkreuz schon wieder abgeräumt ist. Es soll nicht über das Ob dieses Machtanspruchs debattiert werden, nur über die Formen. Schon der Innenraum der Kathedrale fiel dieser Strategie zum Opfer. Auch jetzt wird sich der zuständige Kultursenator Klaus Lederer von den Linken voraussichtlich nicht für das kleine alte Kreuz und gegen das neue große Kreuz einsetzen. Immerhin soll es im Unterschiedzum Hohenzollern-Kreuz über eine echte Kirche wachen. Ist doch auch was.


Kopie des Kommentars aus der Printausgabe der Berliner Zeitung vom 08.03.2021_Seite 8
Kopie des Kommentars aus der Printausgabe der Berliner Zeitung vom 08.03.2021_Seite 8