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Steffen Skudelny, Vorstandsmitglied der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, spricht sich gegen den geplanten Umbau der Hedwigskathedrale aus.
Von Steffen Skudelny 21.03.2018, 15:30 Uhr
Bodenöffnung und Altarinsel als architektonischer Blickfang: ein Blick ins Kirchenschiff von St. Hedwig während einer Eucharistiefeier. Foto: KNA
Als 1963 in Berlin die im Kriege ausgebrannte Hedwigs-Kathedrale nach einer Kraftanstrengung wieder geweiht werden konnte, war eine Traditionskirche Berlins um eine kunsthistorisch wertvolle Zeitschicht bereichert. In der Zeit des Kalten Krieges, in einem Bistum, das von einer Mauer geteilt wurde, gestaltete der westdeutsche Architekt Hans Schwippert in enger Abstimmung mit dem Bistum einen die liturgischen Veränderungen des 2. Vatikanischen Konzils bereits vorwegnehmenden Kirchenbau.
In kongenialer Zusammenarbeit mit einem hochkarätigen Team von Künstlern aus Ost und West, deren Werke ansonsten in Museen zu sehen sind, entstand ein Gesamtkunstwerk, das solidarisch von Katholiken aus ganz Deutschland mit Spenden finanziert wurde. Über die offene Confessio der Unterkirche sind die Altäre von Unter- und Oberkirche durch eine Stele miteinander verbunden. Der ursprünglich barocke Bau erhielt damit eine Zeitschicht, die mit der Einbeziehung der Grablege des Märtyrers und Dompropsts Bernhard Lichtenberg auf die jüngste Geschichte verweist. Mit dem über der mächtigen Kuppel aufragenden goldenen Kreuz ist dieser Wiederaufbau von Beginn an ein Denkmal seiner Zeit, wertgeschätzt von seiner Gemeinde und unendlich vielen Besuchern, die die Kraft des Raumes beflügelt. Folgerichtig wurde die Hedwigs-Kathedrale später auch unter Denkmalschutz gestellt.
Heute baut und gestaltet man anders, Zeiten und Geschmäcker ändern sich. Aber darf für eine neue Idee ein geschütztes Denkmal einfach zerstört werden? Dies ist eine der grundlegenden Fragen des Respekts, des Umgangs mit der Geschichte, der Wertschätzung historischer Quellen und großartiger Kunstwerke hoher Symbolkraft. Der Wiederaufbau der Hedwigskathedrale zeigt eine kulturelle Höchstleistung in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit, als kreative und künstlerische Bewältigung von Zerstörung und Not in großer Solidarleistung entstanden ist.
Darf ein Gesamtkunstwerk, um dessen Einzelelemente sich jedes Museum bemühen würde, aus modernistischen Gründen zerschlagen werden? Ist ein geänderte Nutzungsvorstellung Grund genug, den Schutzstatus eines Denkmals auszuhebeln? Darf die Zerstörung eines Denkmals mit erheblichen öffentlichen Mitteln gefördert werden, während diese an anderer Stelle schmerzhaft fehlen? Wird die Kirche als Kulturträger ihrer Vorbildfunktion für viele andere Denkmaleigentümer – private, Kommunen, kleine Kirchengemeinden – gerecht oder ist dies ein fataler Dammbruch? Darf man die Bemühungen der Denkmaleigentümer im Lande, die oftmals ohne öffentliche Mittel mit großem Engagement und Respekt vor den Leistungen früherer Generationen die Zeugnisse der Geschichte erhalten, derart konterkarieren?
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und ihre Wissenschaftliche Kommission sagen: nein. Und in Anlehnung an Gertrude Stein bestehen wir darauf, dass die Gesellschaft stabiler Kulturwerte und Zeugnisse bedarf: Ein Denkmal ist ein Denkmal ist ein Denkmal ist ein Denkmal!