Appellierende Fragen von Prof. Dr. jur. Frank Czerner

Lehrstuhlinhaber an der Hochschule Mittweida | University of Applied Sciences

Fakultät Soziale Arbeit, Berufungsgebiet: Recht in der Sozialen Arbeit

Die Nachricht, mit der sich Prof. Dr. Czerner am 8. Juni 2017 an die Initiative „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“ wird hier zum Download bereitgestellt.

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Appell von Prof. Dr. jur. Frank Czerner
Unterstützung des Anliegens, die denkmalgeschützte Innengestaltung der Berliner Hedwigskathedrale zu erhalten und zu sanieren, jedoch den vom Erzbistum Berlin geplanten Umbau zu verhindern
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Prof. Dr. jur. Frank Czerner zur Hedwigskathedrale Berlin

 

Fehlende Umbaugründe

"Was bewegt einen Erzbischof dazu, eine nicht nur kirchlich, sondern auch historisch bedeutsame Kathedrale sprichwörtlich von innen heraus zu zerstören? Der geplante Umbau der Hedwigskathedrale zum Preis von – derzeit!! - 43 Millionen Euro ist nicht nur angesichts knapper Kassen und ganz offensichtlicher Armut zahlreicher Menschen in und um Berlin mehr als fragwürdig. Die Bilderstürmerei würde vor allem aus einem auch architektonisch bedeutenden Kunstwerk für unendlich viel Geld eine langweilig-plenarsaalmäßig wirkende, zweidimensional erscheinende Halle machen – natürlich mit Stuhlkreis und „gestalteter Mitte“, die der Herr Erzbischof dann, so oft er will, umschreiten kann, wenn das theologisch so wichtig ist, dass man das Bestehende dafür abreißt und sich das gerne 43 Millionen kosten lässt."

Mangelnde theologische Inspiration und Kreativität des Umbaukonzepts

"Selten habe ich, von den „sakralen Turnhallen“ und den seelenlosen Bunkern der 50’er und 60’er Jahre abgesehen, einen dermaßen gähnend-langweiligen Entwurf für einen Kirchenumbau gesehen wie nun in Berlin – er hat den Charme einer Wartehalle. Von Kreativität oder theologisch inspirierter Botschaft, wie sie beispielsweise stets kennzeichnend gewesen sind für die Sakralbauten von Egon Eiermann (Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche fast „nebenan), Dominikus und Gottfried Böhm (Kreuzkirche Dülmen, Mariendom zu Velbert-Neviges), von Rudolf Schwarz (Maria Königin, Saarbrücken, St. Antonius, Essen-Frohnhausen) oder aus jüngerer Zeit von Hahn/Helten (Klosterkirche zu Gerleve und Dom zu Rottenburg-Stuttgart) ist in dem „Konzept“ zur Hedwigskathedrale nicht die Spur zu erkennen. Dadurch werden sicherlich nicht mehr Menschen zur Kirche kommen. Wenn man Menschen kirchlich/religiös ansprechen möchte, dann geht das nicht mit der einfallslosen Beliebigkeit einer Mehrzweckhalle, sondern mit auch und gerade mit phantasieerfüllten architektonischen Zeichen, die symbolisch und liturgisch erschlossen und vermittelt werden können."

Geplante Schließung der Confessio

"Das Schlimmste an diesem geplanten Umbau ist die Schließung der Confessio – und dies in mehrfacher Hinsicht: Die Confessio eröffnet neben der Kuppel die dritte Dimension, die Tiefe, durch welche die Transzendenz für alle Gläubigen (und auch für die Ungläubigen) stets unmittelbar sichtbar und erlebbar wird. Sakralräume brauchen eine Vertikale, um die Tiefe des Glaubens zumindest anzudeuten. Die Altarsäule von Hans Schwippert verbindet die Altarmensa als den zentralen Ort liturgischen Geschehens mit der Krypta, einem, gerade für die Hedwigskathedrale ganz besonderen Ort des Gedenkens."

Zurücksetzung der Würdigung des Märtyrers und Seligen Bernhard Lichtenberg

"Das Grab des 1996 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochenen Märtyrers Dompropst Bernhard Lichtenberg, der in der Zeit des Holocaust sein Leben einsetzte, um verfolgte Juden zu retten, befindet sich in der Krypta. Lichtenberg wurde von der „Kommission zur Anerkennung der Gerechten“, eingesetzt von YAD VASHEM, am 7. Juli 2004 mit der Medaille der „Gerechten unter den Völkern“ ausgezeichnet und geehrt. Dieses Grab, das stets zugleich auch als Mahnmal für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus betrachtet worden ist – und zwar in jeder Heiligen Messe -, soll nun verschwinden und überbaut werden. „Entsorgung von Geschichte“ nenne ich das!"

 

Umbaukonzept lässt historisch-politische Verantwortung vermissen

"Ich frage: Wo bleibt die historisch-politische Verantwortung bei dieser Neukonzeptionierung?

Wo bleiben der Respekt, die Ehrfurcht und die Demut des Erzbischofs und aller an dieser Entscheidung zum Umbau Beteiligten vor dem Verdienst Lichtenbergs im Holocaust?

Wo bleibt die nach wie vor notwendige und mehr denn je wichtige Anerkennung des Widerstandes zur Rettung von Juden in der Zeit des Nationalsozialismus in der Kathedralkirche der Bundeshauptstadt?

Sind wir in einer Zeit angekommen, in welcher das Vergessen der unvorstellbaren Nazigräuel auch architektonisch versinnbildlicht werden soll nach dem Grundsatz „Irgendwann muss ja mal Schluss sein mit dem Gedenken“?"

 

 

Es geht um wesentlich mehr …

"Es geht dabei nicht vordergründig um ein „Altar umschreiten“, sondern um wesentlich mehr, das die seinerzeit revolutionäre Innenraumgestaltung der dreidimensional wirklich in die Tiefe gehende Altarstele von Schwippert im Jahr 1963 – also noch vor Abschluss des Vaticanum II - vorzüglich ausgedrückt hat. Nicht zu vergessen ist der Denkmalschutz, der bei der Entscheidung zum Umbau offensichtlich keinerlei entscheidende Rolle gespielt hat. Es ist furchtbar, wenn Architekten dermaßen respektlos und bar jeder historischen Verantwortlichkeit planen und bauen wollen – und dürfen (!!), und es ist mindestens genauso schlimm, dass sie dabei von der Kirche unterstützt werden. Die evangelischen Landeskirchen gehen jedenfalls, soweit ich das in zahlreichen alten Klosteranlagen immer wieder sehen konnte, wesentlich behutsamer und vor allem respektvoller mit der Geschichte des jeweiligen Sakralbaus um – und sie achten dabei, ganz im Sinne von Exodus 3,5, die Würde jenes heiligen Bodens."