Bischof Dr. Heinrich Theissing
(Weihbischof im Bistum Berlin 1963 – 1970;
Weihbischof in Schwerin 1970 – 1973 und Apostolischer Administrator in Schwerin für Mecklenburg 1973 – 1987; † 11. 11. 1988)
Wahlspruch „Servus plebis tuae sanctae“ („Diener Deines heiligen Volkes“)
(u.a. mit Mitarbeitern aus zentralen kirchlichen Dienststellen)
Lieber Herr Kardinal, Brüder und Schwestern !
Mit diesem feierlichen Gottesdienst gedenken wir in großer Dankbarkeit gegen Gott des bedeut-samsten und frohesten Tages, den das Bistum Berlin seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt hat: die Konsekration des Altares in der neuerrichteten Hedwigskathedrale durch Erz-bischof Alfred Bengsch und die Besitzergreifung der Kathedra von St. Hedwig. Damit konnte Erzbischof Bengsch dem Bistum Berlin und allen seinen Gläubigen die Bischofskirche wieder übergeben, die Bischofskirche im Herzen der geteilten Stadt. Hier ist die Mitte des e i n e n Bistums Berlin. Und ihr habt es in den vergangenen 25 Jahren selbst erlebt, wie die Kathedrale mehr und mehr einheitsstiftende Mitte, Quelle lebendigen Glaubens und unübersehbares Zeugnis dafür geworden ist, daß Gott lebt und für uns Menschen da sein will. Unser Gedenken geht heute, wie schon zur Einleitung erwähnt wurde, noch weiter zurück, zur ersten Konsekration der Hedwigs-kirche durch den Bischof von Ermland, Ignatius Krasicki. Die erste katholische Kirche damals nach der Reformation für über 10 000 katholische Christen in dieser Stadt. Eine Kirche, für die der Heilige Vater, Papst Benedikt XIV., 1747 alle Bischöfe des katholischen Erdkreises in einem Rundschreiben zu Spenden aufgerufen hat. Was Papst Clemens XIV. 1770 noch einmal tat. Besonders große Summen kamen damals aus Italien, aus Spanien und Portugal und auch aus unserem Nachbarland Polen. Wir sollten das nicht vergessen, daß diese Kirche mit den Spenden der ganzen katholischen Christenheit erbaut worden ist.
Fortsetzung rechts
Und noch eins sollten wir uns gerade heute bewußt machen: Der erste Bischof des 1930 errichteten Bistums Berlin, Christian Schreiber, wurde hier in der St. Hedwigs-Basilika am am 31. August 1930 inthronisiert. Es war ihm ein vordringliches Anliegen, diese Pfarrkirche zu einer würdigen Kathedrale zu gestalten. Und schon am 14. Mai 1932 übergab er mit der Konsekration des neuen Hochaltars den Berliner Katholiken ihre Bischofskirche, ihre St. Hedwigskathedrale. Nur elf Jahre – von 1932 bis zur Zerstörung von St. Hedwig in der Nacht vom 2. März 1943 – hatte das Bistum Berlin eine Kathedrale. Wir aber können heute Gott danken, daß die wiederaufgebaute St. Hedwigskathedrale nun schon 25 Jahre dem Bistum Berlin ein geistliches Zentrum ist.
Brüder und Schwestern, ich bin gewiß, daß ihr alle mit dieser Kathedrale verbunden seid. Ganz besonders die von euch, die als Mitarbeiter im kirchlichen Dienst mit all ihrer Arbeit und ihrem Einsatz helfen wollen, daß die Kirche von Berlin ihren Auftrag für die Menschen erfüllen kann. Darüber hinaus gibt es sicher nicht wenige, denen diese Kathedrale – aus diesem oder jenem Grund – lieb geworden ist.
Und ich bekenne offen:
ich liebe die St. Hedwigskathedrale,
weil sie in ihrer neuen architektonischen und künstlerischen Ausgestaltung das Erlösungswerk Christi symbolisch darstellt.
Fortsetzung unterhalb der Bilder links
Unter der Mitte der Kuppel ist der Fußboden aufgebrochen und eine Öffnung gibt den Blick und den Weg in die Unterkirche frei. Diese ungewöhnliche Lösung ist um so symbol-trächtiger: Gott ist in Seinem Sohn Jesus Christus Mensch geworden, hat Sich erniedrigt und hat unter uns gewohnt. Er ist eingegangen in die dem Tod unterworfene Menschheit, um uns aus der Macht des Todes zu befreien, uns der Weg zum ewigen Leben in der Liebe Gottes zu sein. In der alten Kathedrale gab es diese Öffnung in die Krypta, in die jetzige Unterkirche, nicht.
Die frühere Krypta war ausschließlich Grabstätte, eine Gruft der Toten. Jetzt ist dieser Raum geöffnet und in der Mitte dieses alten Totenraums wohnt Christus unter uns im Tabernakel als das Brot des Lebens, von dem wir im Glauben wissen: Wer dieses Brot ißt, wird leben in Ewigkeit. Im Kapellenkranz der Unterkirche ruhen auch heute noch die leiblichen Überreste der Berliner Bischöfe und des getreuen Zeugen Gottes, Bernhard Lichtenberg. Und sie harren da der Auferstehung der Toten entgegen, der letzten Konsequenz der Menschwerdung Christi.
Die Öffnung aber reicht durch die mächtige Altarsäule hinein in die Oberkirche. Diese Säule trägt den großen Hochaltar, der heute vor 25 Jahren geweiht wurde zu Ehren und zum Lobpreis des heiligen Kreuzes. Um diesen, dem Erlösertod Christi geweihten Altar versammeln sich die Getauften, die Glieder des Leibes Christi, der Kirche, im weiten Rund des Kirchenraums zur Eucharistiefeier – zur Dank- und Gedächtnisfeier an Kreuzestod und Auferstehung Christi.
Fortsetzung rechts
Meist aber begleitet von der herrlichen neuen Orgel, die diesem Raum des Gottesdienstes wie ein Siegel aufgeprägt ist und allen kundtut, daß die erste, alles andere tragende und alles andere übertreffende Berufung der Erlösten das Lob Gottes ist, die liebende Lobpreisung des Vaters durch Christus im Heiligen Geist.
Der Ring der Außenmauern der Kathedrale umschließt die gottesdienstfeiernde Gemeinde und läßt sie Gemeinschaft spüren, Einheit mit Christus und untereinander: „Uns hat umschlossen ein heiliger Ring.“ Wir erleben hier die Gemeinschaft der Kirche, die ausgebaut ist auf dem Fundament der Apostel, an die die zwölf Säulenpaare dieser Oberkirche erinnern. Früher brachten zwölf überlebensgroße Apostelfiguren zwischen den Säulen das noch deutlicher zum Ausdruck.
Das Rund der Säulen führt den Blick hin zur Kathedra des Bischofs, der als Nachfolger der Apostel von hier aus das Wort Gottes, die Frohe Botschaft Christi, verkündet, damit die Gläubigen festhalten an der Lehre der Apostel, an der Gemeinschaft und am Brechen des Brotes. Wie vor der Zerstörung der Kathedrale die Apostelfiguren, so macht jetzt die Figur des heiligen Petrus, des „primus inter pares“, des ersten des Apostel-kollegiums, deutlich, daß diese Kathedrale zu der einen apostolischen Kirche Christi gehört. An der Altarsäule des Heilig-Kreuz-Altares sehen wir das Bildnis eures Bistumspatrones, Petrus, der selbst durch seinen eigenen Kreuzestod Christus bezeugte, ist hier mit dem Altar verbunden, der dem Kreuzestod Christi geweiht ist.
Fortsetzung unterhalb der Bilder links
Was Architektur und Innengestaltung dieses Kirchenraumes zum Ausdruck bringt, führt zur Mitte unseres Glaubens. „Durch Dein heiliges Kreuz, Herr Jesus Christ, hast Du die ganze Welt erlöst“ und wir, Deine Kirche, leben von Deinem Erlösungswerk, Deinem Kreuzestod und von Deiner Auferstehung.
Über dem Rund des Kirchenraumes wölbt sich die große, weite – aber auch bergende und schützende Kuppel. Allgemein gilt die Form der Kuppel als Sinnbild der Vollendung. Gewiß spricht auch die Kuppel unserer Kathedrale in diesem Sinn zu uns von der Vollendung unseres Lebens in der Ewigkeit Gottes.
Mir aber erscheint sie noch mehr – vor allem von der Außenansicht her – wie die schützende Hand Gottes, unter der Seine Kirche geborgen ist. Ja, sie erscheint mir auch als ein Sinnbild für das geöffnete, liebende Herz Gottes, das sich durch Christus und Seine Kirche der Welt aufgetan hat, damit die Herzen aller Menschen Erfüllung und ewige Heimat finden in Gottes grenzenloser und alles umfassender Liebe.
Fortsetzung rechts
Menschwerdung Christi – Erlösertod und Auf-erstehung – und Vollendung der Menschheit und der ganzen Schöpfung in der Liebe Gottes: Diese drei Heilsereignisse im göttlichen Erlösungswerk sind nicht nur durch die Gestaltung der Unterkirche, des Kirchenraumes und der Kuppel angesprochen, sie sind in der ursprünglichen Gestaltung des Portikus dargestellt und bis heute erhalten in den fünf Hochreliefs über den Portalen der Kathedrale.
Brüder und Schwestern, in diesem Gedenk-gottesdienst am 25. Jahrestag der Altarweihe der wiedererstandenen Kathedrale wollen wir Gott aus ganzem Herzen danken für dieses herrliche Haus Gottes unter den Menschen.
Es soll euch immer mehr eine Stätte werden, an der ihr zu Hause seid bei Gott. Dieses geheiligte Haus will euch immer dankbarer werden lassen für das Erlöserwerk Christi; und dafür, daß ihr Glieder Seiner einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche seid. Mögen wir aber auch alle in dieser Bischofskirche Stärkung suchen und finden, damit wir als Kirche in unserer Zeit erfüllen, wozu das Feuer des Heiligen Geistes uns drängt: Kirche mit den Menschen und für die Menschen zu sein.
Amen.
(Predigt zum Kirchweihfest am 1. November 1988)
Der Wortlaut der Predigt steht als PDF-Datei zum Ausdrucken zur Verfügung. Der Text umfasst insgesamt 4 Seiten.
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Um die Predigt authentisch wiederzugeben, wurde auf die Aktualisierung der Rechtschreibung verzichtet.