Die Marschrichtung der Leitung des Erzbistums Berlin haben deren Rechtsvertreter im Urheberrechtsverfahren beim Landgericht Berlin eindeutig beschrieben (s. dazu ausführliche Erläuterungen in einem Internet-Blog, aus dem hier zitiert wird): :
„Im Zuge des geplanten Umbaus der St. Hedwigs-Kathedrale wird das streitgegenständliche Gesamtkunstwerk ... vollständig vernichtet.“
Bei der mündlichen Begründung des Urteils zur vermeinlichen „Sanierung“ und „Umgestaltung“ der Hedwigskathedrale resümierte der vorsitzende Richter:
„Wir sind der Meinung, dass es sich um Zerstörung handelt.“
„Vom Werk werde nichts übrig bleiben.“
In den Medien wird die Dominanz von Besitz, Geld und Macht über gesamtgesellschaftliche Interessen, wie Kulturerhaltung, Denkmalschutz oder Urheberrechten, die von diesem Gericht betont wurde, mit Interesse konstatiert. Stellvertretend für kulturbedürftige Bürger stritten Nachfahren der Künstler. Nun wurde "im Namen des Volkes" verkündet, das einzelne Eigentümer gesetzlich geschützte Denkmäler nach Belieben "vernichten" können.
In der Berliner Zeitung vom 15.07.2020 schreibt Nikolaus Bernau:
"Das die Zerstörung eines Kunstwerks möglich ist, wenn der Denkmalschutz sich nicht schützend davorstellen kann, ist seit Jahrzehnten ein Ärgernis der deutschen Denkmalpflegedebatten. Im Fall St. Hedwig war es Kultursenator Klaus Lederer, der die Denkmalbehörden gegen den erbitterten Widerstand anwies, den Radikal-Umbau zu genehmigen, der Religionsfreiheit wegen. Damit waren aber auch Urheberrechts-Klagen fast aussichtslos."
Das Online-Architekturmagazin BauNetz schreibt
"Zur Zukunft der Berliner Hedwigskathedrale":
"Ob ein Bauwerk zeitgeschichtliche Bedeutung hat, sei dem Urheberrecht egal, stellte das Gericht klar. Außerdem haben Eigentümer das Recht, sich neu zu erfinden. Wer ein urheberrechtlich geschütztes Kunstwerk besitzt, darf es also zerstören – aber nicht verändern, denn das wäre eine Entstellung. Letzteres sei bei St. Hedwig aber nicht der Fall, so die Kammer: „Von dem alten Werk wird nichts mehr übrigbleiben.“
Prof. Dr. Adrian von Buttlar
damnatio memoriae (Kommentar 4 im BauNetz)
Das Urheberrecht wurde vom Erzbistum durch "die völlige Vernichtung" (eines von den Vorgängern geweihten Sakralraums!) gezielt ausgetrickst: Beim skandalösen Abriss der großartigen und weitgehend intakten Nachkriegsfassung des Innenraumes von St. Hedwig geht es um die Selbstdarstellung des heutigen Kardinals Woelki und seines Adepten Heiner Koch und um die "damnatio memoriae" einer vermeintlichen DDR-Hinterlassenschaft. Dabei ist Schwipperts von Ost und West gestaltete, finanzierte und realisierte Doppelkirche mit der Confessio nach altrömischem Vorbild: 1. ein gesamtdeutsches Denkmal mitten im Kalten Krieg, 2. ein Denkmal progressiver Theologie im Sinne des Zweiten Vatikanums, 3. durch die Verehrung des seliggesprochenen Nazi-Opfers Dompropbst Lichtenberg (der nun entsorgt wurde) ein Mahnmal gegen Faschismus und Diktatur, 4. ein einzigartiges Gesamtkunstwerk einer traditionsbewußten Nachkriegsmoderne auf höchstem künstlerischen Niveau.
Zugunsten pompöser Selbstdarstellung des "politischen Katholizismus" (panem et circenses) sollen diese Erinnerungen und ethischen Imperative unter Einsatz von Steuergeldern (Bund und Land) aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden. Man kann die Selbstvergessenheit und eitle Blindheit der skandalträchtigen Katholischen Kirche, die in Zeiten der Krise über 60 Millionen Euro (das Zehnfache einer Bestandssanierung) verschwendet, nur noch bemitleiden: Der letzte macht das Licht aus.
Prof. Dr. Wolfgang Wolters
St. Hedwig (Kommentar 6 im BauNetz)
Ein Lehrstück. Der für die Berliner Denkmalpflege zuständige Senator Lederer (Die Linke) überlässt Bischof Koch kampflos das Feld. Er schwächt so ohne Not "seine" Fachbehörde, die sich für die Erhaltung des Innenraums mit besten Argumenten ausgesprochen hatte. Staatsministerin Grütters (CDU) fördert zudem durch einen hohen finanziellen Zuschuss zum Umbau die restlose Zerstörung eines bedeutenden Denkmals deutscher Geschichte vor 1989. Die Hoffnung, diese für den Bauherrn und seine Unterstützer beschämende Angelegenheit könnte als abschreckendes Beispiel dienen, teile ich nicht. Im Gegenteil.
Prof. Dr. Adrian von Buttlar
Kommentar (Kommentar 4 im BauNetz)
Formal hat ein launiger Richter ein nicht ganz so launiges Urteil gefällt: Die schon begonnene Zerstörung der Hedwigs-Kathedrale ist rechtens! Den wenigen der anwesenden Zuhörer stockte schon
nach den ersten drei Sätzen des Richters der Atem.Nichts scheint einfacher als Generationen von Menschen mit einer Handbewegung ins Aus zu befördern. Nichts ist mehr Wert,nichts hat mehr Wert. Zu
Zerstören ist gesellschaftsfähig geworden.
Wir, ostdeutsche Katholiken,waren felsenfest davon überzeugt, dass an diese hochgeachtete, geliebte Kirche niemand Hand anlegen würde.Warum auch? Der Gedanke war einfach absurd. Wie falsch! Auch
dieses Stück so persönlichen ,tröstlichen Erinnerns muss weg! Wir stehen jetzt mit leeren Händen in diesem unserem Land da!
Denkmalschutz vs. Grundgesetz (Kommentar 3 im BauNetz)
Denkmalschutz und Kirche: Schlag ins Gesicht?
Zwar behandelt dieser Artikel auf Grund des aktuellen Urteil das Urheberrecht, allerdings erschien mir dieses, als letzter unwahrscheinlich erreichbarer Rettungsanker der ProjektgegnerInnen.
Denkmalrecht vs. Grundgesetz?
Wäre dieses Bauwerk nicht im Besitz der Kirche sondern im staatlichen oder privaten, wäre der aktuell vorgesehene Entwurf so nicht genehmigt worden. Leider schafft es das grundgesetzlich
verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen hier und ggf. auch anderswo (?) den Denkmalschutz im Grunde genommen auszuhebeln. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Diskussion erübrigt, läge
nicht eine UNGLEICHBEHANDLUNG vor dem Gesetz zugunsten der Kirche vor. Dabei erhält das Bistum für diese und andere Umbaumaßnahmen sogar noch Fördermittel .
Denkmalwürdigkeit ist übrigens eindeutig festgestellt. Das soll nicht bedeuten, dass alles so bleiben muss wie es ist. Aber wie für private Auftraggebende und für deren ArchitektInnen die sich
tagtäglich, teilweise sehr erfolgreich und kreativ mit dem Denkmalschutz auseinandersetzen ist so etwas ein Schlag ins Gesicht. Und es gibt auch viele kirchliche Bauherren die sich Mühe geben und
es schaffen Liturgie, zeitgenössische Anforderungen oder was auch immer sie umsetzen wollen in Einklang mit dem Denkmalschutz zu bringen. Auch für diese: Ein Schlag ins Gesicht.
Kommentar 10 (von Göbel) im BauNetz (Erwiderung auf Kommentar 1 im BauNetz)
Die Redensart, dass Archtiekten eben bauen (und Geld verdienen) wollen, ist mir nicht neu, aber dass dieser Wunsch so ungeniert zur Schau gestellt wird, ist doch eine Überraschung.Bei manchen dieses ehrenwerten Standes ist doch angekommen, dass auch ökologische, ökonomische, historische und sogar künstlerische Gesichtspunkte eine Rolle spielen - und auch bauerhaltende. Die Substanz bei Hedwig war nicht verfallen und könnte durch den Umbau gefährdet sein.
Aktuelle Terminansetzung
Die Verhandlungstermin über die Klage der Erben der Urheber gegen das Erzbistum Berlin
ist am Dienstag, den 14. Juli 2020, 12:00 Uhr,
Landgericht Berlin
Littenstraße 12-17
10179 Berlin
Wegen der zu erwartenden Aufmerksamkeit wurde die Verhandlung in den Saal 0208 im Erdgeschoss verlegt.
In Hinblick auf die zur Zeit notwendigen Zugangskontrollen ist frühzeitiges Erscheinen angebracht.
Chronologie bisheriger Terminverschiebungen,
die das Erzbistum Berlin dazu missbrauchte,
durch Abrissarbeiten am geschützten Denkmal Tatsachen zu schaffen, die das Gerichtsverfahren zu Ungunsten der Urheber beeinflussen könnten :
Vom 15.10.2019, 11:00 auf den 17.03.2020, 10:30 Uhr;
vom 17.03.2020, 10:30 auf den 16.06.2020, 10:00 Uhr;
vom 16.06.2020, 10:00 auf den 14.07.2020, 12:00 Uhr;
Presse-Erklärung zum Gerichtsverfahren