Kai Kappel

Was von den Aufbrüchen des 20. Jahr-hunderts bleibt.

Zur Umgestaltung von St. Hedwig in Berlin 

kunsttexte.de  _2 / 2014

"Auch das Bistum Berlin litt nach 1945 unter der politischen Teilung; der Aufbau gerade dieses Bauwerks war ein unmissverständliches Zeichen für die Präsenz der katholischen Kirche im sozialistischen Staat."

 Zum offenen Gedenkort in der Unterkirche:

"Ein solcher in den Boden eingetiefter, über eine breite Treppenanlage erreichbarer Ort ist Reaktion auf das Petrusgrab, den Papstaltar und die Confessio unter der Kuppel von St. Peter in Rom. Zugleich ist dieser Zeugnis für die Offenheit des Bistums: Schon vor dem II. Vatikanum wurde hier den Anliegen der Liturgischen Bewegung Raum gegeben."

Durch das Wiedereinziehen der zentralen Kryptadecke würden wir ein weltweit einzigarti- ges kirchliches Raumgefüge verlieren.

Was ebenso schwer wiegt: Eine Gestaltung, die von den Katastrophen, Hoffnungen und Aufbrüchen des 20. Jahrhunderts Zeugnis ablegt, würde gleichsam dem Auge entzogen und ihres herausfordernden Gehaltes beraubt.

Die Öffnung in St. Hedwig ist ein Fenster in die Geschichtsschichten und Gedenkkultur der katholischen Kirche. Nicht nur in der deutschen Hauptstadt lebt kulturelle Pluralität von eindringlichen Verweisorten wie diesen."  

KAI KAPPEL

Prof. Dr. Kai Kappel, Professur für Geschichte der Architektur und des Städtebaus, Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Uni- versität zu Berlin, Unter den Linden 6,

10099 Berlin, kai.kappel@culture.hu-berlin.de. 

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Was von den Aufbrüchen des 20. Jahrhunderts bleibt. Zur Umgestaltung von St. Hedwig in Berlin
Kai Kappel befürchtet: "Auch am Südende des Bebelplatzes kündigt sich geschichtsrevidierende Gestik an: Ein Wettbewerb soll zur Veränderung des qualitätvollen Innenraumes von St. Hedwig führen."
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"Diese Unterkirche besetzt die Position der zuvor dort befindlichen Krypta. Es handelt sich um einen lichten, von der Oberkirche gut einsehbaren Andachtsraum und um zehn intime, tonnen-gewölbte Radialkapellen. Neben den Berliner Bischöfen fand hier seit 1965 der 1943 von den Nationalsozialisten zu Tode gebrachte

selige Dompropst Bernhard Lichtenberg seine Grabstelle. Eine großformatige Tafel, … , bezeugt eindringlich, welch großer Stellenwert in der Unterkirche von St. Hedwig dem Gedenken an die katholischen NS-Opfer beigemessen wird."